Tatort Krankenhaus Wie ein kaputtes System Misshandlungen und Morde an Kranken fördert by Karl H. Beine & Jeanne Turczynski

Autor:Karl H. Beine & Jeanne Turczynski [Beine, Karl H. & Turczynski, Jeanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426439654
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

Sehen wir uns den »Mitleidsaspekt«, den die meisten Täter als Motiv für ihre Taten angeben, etwas genauer an. Wirkliches Mitleid ist fest verknüpft mit einer zwischenmenschlichen Beziehung. Man weiß um das Befinden des anderen und respektiert dies. Mitleid setzt voraus, die eigenen Befindlichkeiten von denen seines Gegenübers trennen zu können. Ebenfalls gilt: Mitleid kann nur empfinden, wer in der Lage ist, sich dem Leid des anderen nicht zu entziehen, sondern es mit trägt. Das heißt auch, dass man in der Lage sein sollte, zu erspüren, was der andere in diesem Moment braucht – ohne Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse.

Nimmt man diese Definition von Empathie zum Maßstab bei der Beurteilung der Täter, fällt sofort auf, dass sie keineswegs aus Mitleid gehandelt haben können. Sondern aus einer Art verschobenem Selbstmitleid heraus. Die Täter waren besonders unfähig, Leidenszustände zu ertragen, diese zu lindern und den Patienten beizustehen. Sie versuchten, das für sie unerträgliche Leiden der anderen verschwinden zu lassen, indem sie die eigentlich Leidtragenden töteten. Sie befreiten sich selbst aus einer für sie unerträglichen Situation, erlösten aber keinesfalls ihre Opfer.

Das wäre höchstens der Fall gewesen, hätten sie eine Tötung auf Verlangen ausgeführt. Da keiner der Täter mit seinen Opfern über die Tat gesprochen hat, kann davon jedoch keine Rede sein. Ein Wiener Patient, der den Mordversuch einer Krankenschwester überlebte, bringt es treffend so auf den Punkt: »Wie schlecht muss es mir gehen, wenn mich schon wildfremde Menschen umbringen oder erlösen wollen …«[80]

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